Amtsgericht Aue: Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers trotz Schweigen des Fahrzeugführers ; unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen

Das Amtsgericht Aue hat in einer Entscheidung vom 11.05.2012, Az. 1 C 835/10, dem Kläger vollen Schadensersatz zugesprochen, obwohl der beklagte Fahrer des anderen unfallbeteiligten Pkw weder im gerichtlichen Verfahren noch gegenüber seiner Haftpflichtversicherung irgendwelche Angaben zum Unfallereignis gemacht hat.
Der Kläger verlangte Ersatz seiner Schäden, die ihm durch einen klassischen Auffahrunfall entstanden waren. Er hatte mit seinem PKW verkehrsbedingt angehalten, als ein anderer PKW auffuhr. Dessen Fahrer hatte dem Kläger anschließend seine persönlichen Daten auf einen Zettel geschrieben. Da die gegnerische Haftpflichtversicherung sowohl außergerichtlich als auch im gerichtlichen Verfahren keinen Kontakt zu ihrem Versicherungsnehmer herstellen konnte, bestritt sie die Beteiligung ihres Versicherungsnehmers sowie auch die Umstände des Unfalls mit Nichtwissen.
Grundsätzlich muss der Geschädigte sämtliche Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches darlegen und beweisen. Ein Bestreiten des Gegners mit Nichtwissen ist nur zu Umständen zulässig, die nicht Gegenstand der eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Dies hätte eigentlich auf die beklagte Versicherung zugetroffen. Trotzdem hat das Amtsgericht ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht zugelassen, weil die äußeren Umstände für eine Unfallverursachung durch den beklagten Fahrer sprachen. Die Versicherung hätte sich deshalb zur Unfallbeteiligung sowie zum Hergang erklären müssen. Folgerichtig sah das Gericht die Unfallschilderung des Klägers als bewiesen an.

Anmerkung:

In der Praxis passiert es gar nicht so selten, dass der Fahrer bzw. Versicherungsnehmer eines unfallbeteiligten Fahrzeugs gegenüber seiner Kfz-Haftpflichtversicherung keine Angaben macht oder, so wie im entschiedenen Fall, für die Versicherung nicht greifbar ist. Das Amtsgericht musste also die Frage klären, welche prozessualen Auswirkungen diese Unkenntnis für die Versicherung hat. Das Gericht hat sich dabei auf die Seite des Geschädigten gestellt und damit dessen Rechtsstellung gestärkt. Dieser kann regelmäßig seine Ansprüche auch dann durchsetzen, wenn der Unfallgegner keine Angaben macht.
Obwohl dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der prozessualen Grundsätze auf den ersten Blick verwundern mag, ist es sachgerecht. Die Versicherung ist im Übrigen auch nicht schutzlos gestellt, da der Versicherungsnehmer bzw. der mitversicherte Fahrer im Versicherungsverhältnis zur Auskunftserteilung verpflichtet ist. Wird eine solche Auskunftserteilung verweigert, liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die zu einer Leistungskürzung oder gar zu einem Leistungswegfall führen kann.
Wendet eine nach einem Verkehrsunfall in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherung ein, dass sie keine Auskünfte ihres Versicherungsnehmers erhalte, so ist dies kein Grund, von einer klageweisen Durchsetzung der eigenen Ansprüche Abstand zu nehmen.

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