LG Dresden: 20 Prozent Aufschlag beim Schmerzensgeld bei Behauptung einer Mitschuld wider besseres Wissen im Verfahren

In einer Entscheidung vom 14.07.2010, Aktenzeichen 5 O 2318/09, hatte das Landgericht Dresden über die Folgen eines Verkehrsunfalles zu entscheiden, bei dem die Klägerin unverschuldet erheblich verletzt worden ist. Neben diversen anderen Schadenspositionen ging es im Wesentlichen um die Bemessung des der Klägerin zustehenden Schmerzensgeldes.
Die Klägerin hatte ihrem Ehemann auf einem privaten Garagengelände einen Garagentorflügel aufgehalten, als sie von einem PKW von hinten angefahren und verletzt worden ist. Der Unfallhergang war unstreitig. Außergerichtlich hatte die beklagte Versicherung keine Einwände gegen eine Haftung des Unfallfahrers erhoben. Völlig unerwartet verteidigte sich die Versicherung dann unter anderem in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit einer Mitschuld der Klägerin. Eine solche Mitschuld war indes nach Auffassung des Gerichts nicht im Entferntesten erkennbar. Da die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch auf Nachfrage des Gerichts nicht von ihrem Rechtsstandpunkt abwichen, erkannte das Gericht auf ein um 20 Prozent erhöhtes Schmerzensgeld. Begründet wurde diese Erhöhung mit einer Behauptung wider besseres Wissen sowie einer Verhöhnung der Leiden der Klägerin durch die Versicherung.

Anmerkung
Leider passiert es in Verkehrsunfallangelegenheiten immer wieder, dass Versicherungen auch bei eindeutigen Haftungslagen die Regulierung von Schmerzensgeldansprüchen ohne sachlichen Grund verzögern oder mit völlig unangemessenen Begründungen kleinreden. Die Rechtsprechung hatte in der Vergangenheit hauptsächlich in Fällen willkürlicher Verzögerung der Regulierung durch eine Versicherung eine Schmerzensgelderhöhung anerkannt. Zu Recht hat hier das Landgericht auch für Fälle völlig unangemessenen Vortrags im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung einen Aufschlag zugesprochen.
Dabei geht es nicht darum, die Verteidigungsmöglichkeiten einer verklagten Versicherung zu beschränken. Vielmehr ist diese aufgefordert, auch in der gerichtlichen Auseinandersetzung einen respektablen und angemessenen Umgang mit dem geschädigten Unfallopfer an den Tag zu legen. Wird unter diesen Bedingungen dem Unfallopfer eine Mitschuld unterstellt, die aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt möglich erscheint, so wird das Leiden des Opfers zusätzlich verhöhnt und erniedrigt. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes rechtfertigt dann eine deutliche Erhöhung. Die Gerichte sollten hier sehr viel häufiger von diesem Instrument Gebrauch machen, da hierdurch Verfahren sehr viel versachlichter würden.
Für den Geschädigten bedeutet dies, dass unangemessenes Verhalten einer Versicherung zwar sehr ärgerlich und oftmals auch nicht nachvollziehbar ist, jedoch zu erhöhten Schmerzensgeldansprüchen führen kann. Allerdings ist es Sache des Anwalts, diesen Aspekt gegenüber der Versicherung und den Gerichten herauszuarbeiten.

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